Lehre (Sommersemester 2014)

Universität Wien, Institut für Sprachwissenschaft (im Rahmen der Gastprofessur für Soziolinguistik und Diskursanalyse)

Übersicht
Vorlesung Soziolinguistische Variationsforschung: Von der Varietät zur sprachlichen Praxis (Donnerstag 9.00–10.30 Uhr)
Kommentar
Seminar Sprachreflexion und Sprachideologie (Montag 11.45–13.15 Uhr)
Kommentar
Proseminar Sozialsemiotik – multimodale Interaktionsanalyse (Dienstag 12.30–14 Uhr)
Kommentar
Proseminar Diskurse der Politik – Politik der Diskurse (Mittwoch 9.00–10.30 Uhr)
Kommentar
Kommentare
Vorlesung Soziolinguistische Variationsforschung: Von der Varietät zur sprachlichen Praxis (Donnerstag 9.00–10.30 Uhr)
Variation ist der zentrale Gegenstand der Soziolinguistik. Ausgehend von der Beobachtung, dass die Sprecher einer Sprache über a set of alternative ways of saying the same thing (William Labov) verfügen, hat es sich die Disziplin zur Aufgabe gemacht, sowohl das Vorkommen als auch die Funktion sprachlicher bzw. kommunikativer Varianz zu untersuchen. Diese Aufgabe wurde in der mittlerweile über vierzigjährigen Geschichte der Disziplin allerdings sehr unterschiedlich angegangen, und die Frage, was Varianz ist und leistet, hat zu fundamentalen Kontroversen geführt. Außerdem wurde unter kommunikativer Variation lange Zeit ausschließlich (gesprochen-)sprachliche Variation verstanden. Variation etwa im Bereich der Schreibung ist erst in den letzten Jahren in den Blick der Disziplin gelangt.

Die Vorlesung gibt einen Üerblick über diese disziplinengeschichtlichen Entwicklungen, skizziert wissenschaftsgeschichtliche Kontrovesen und stellt Theorien und Befunde der soziolinguistischen Variationsforschung vor. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf Theorien und Konzepten der interpretativen Soziolinguistik (bspw. Stil, Kontext, Performanz und Identität) und auf den dort fokussierten Variationsphänomenen (bspw. Code-Switching, Language Crossing und Kontextualisierung) sowie auf den neu erschlossenen Gegenstandsbereichen (wie der Graphie bzw. Skripturalität). Anhand dieser Pänomene sollen aber auch grundsätzliche wissenschaftsgeschichtliche Entwicklungen im Bereich der Angewandten und soziopragmatisch ausgerichteten Linguistik diskutiert werden.
zurück
Seminar Sprachreflexion und Sprachideologie (Montag 11.45–13.15 Uhr)
Sprache ist nicht nur Reflexionsgegenstand der Linguistik. Auch Nichtlinguisten machen sich vielfach Gedanken darüber, wie Sprache verwendet wird und – im Gegensatz zur sich mehrheitlich deskriptiv verstehenden Linguistik – auch dazu, wie sie verwendet werden soll. Das zeigen die Debatten zur Rechtschreibreform, zu Anglizismen, zu Dialekten, zu Ethnolekten, zu politisch korrektem Sprachgebrauch oder zum Sprachgebrauch spezifischer sozialer Gruppen. Diese Debatten stehen in einer langen Tradition, die auch die Linguistik stark geprägt hat. Gleichzeitig sind sie Ausdruck ganz bestimmter Einstellungen zu und Vorstellungen von Sprache (sog. Sprachideologien) und schließlich auch Manifestationen tiefer liegender sozialer Konflikte.

Das Seminar beschäftigt sich mit diesen Aspekten von Sprache und Kommunikation. Am Beispiel einiger wichtiger metasprachlicher Diskurse der Vergangenheit und Gegenwart soll untersucht werden, welche Sprachideologien die alltagsweltliche Sprachreflexion bestimmen. Gleichzeitig werden auch die für eine solche Untersuchung wichtigen theoretischen und konzeptionellen Grundlagen soziolinguistischer Sprachideologieforschung und Folk Linguistics sowie linguistisch-anthropologischer Metapragmatik gemeinsam erarbeitet.

Einführende Literatur: Jan Blommaert (2005): Discourse. A critical introduction. Cambridge: Cambridge University Press, Kap. 7 Ideology (S. 158--202). Die Semesterlektüre wird in der ersten Sitzung vorgestellt.
zurück
Seminar Sozialsemiotik – multimodale Interaktionsanalyse (Dienstag 12.30–14 Uhr)
Die Sozialsemiotik (social semiotics) ist ein der Soziolinguistik verbundenes semiotisches Forschungsprogramm, welches Zeichen und Zeichengebrauch aus soziopragmatischer Perspektive untersucht. Sie geht in Abgrenzung zur klassischen Semiotik davon aus, dass Zeichen keine festen Bedeutungen, sondern nur Bedeutungspotenziale haben, auf deren Grundlage in aktuellen Kommunikationssituationen jeweils konkrete Bedeutungen ausgehandelt werden. Bekannt geworden ist die aus der systemisch-funktionalen Linguistik und der Kritischen Diskursanalyse hervorgegangene Disziplin vor allem durch das Konzept der Multimodalität, das das Zusammenwirken verschiedener (auditiver, visueller, haptischer) Zeichenformen betont und beschreiben will. Entsprechend befassen sich sozialsemiotische Arbeiten mit vielfältigen Zeichenformen (Schrift, Bilder, Stimme, Geräusche, Gestik, Mimik) und Kommunikationsformen (Texte, Filme, Radiosendungen, Schilder und Plakate, usw.).

Das Proseminar gibt einen Einblick in die reichhaltige sozialsemiotische Forschung. Wir erarbeiten ausgehend von den theoretischen Vorläufern (insbesondere V. Vološinov und M.A.K. Halliday) die sozialsemiotische Theorie und Methodik, diskutieren diese auch kritisch, lernen unterschiedliche Untersuchungsfelder der Sozialsemiotik (von der Grammatik des visuellen Designs über multimodale Radioanalysen bis hin zu den Semiotic Landscapes moderner Städte) kennen und führen selbst Analysen multimodaler Kommunikation durch.

Einführende Literatur: Theo van Leeuwen (2005): Introducing Social Semiotics. London/New York: Routledge. Die Semesterlektüre wird in der ersten Sitzung vorgestellt.
zurück
Proseminar Diskurse der Politik – Politik der Diskurse (Mittwoch 9.00–10.30 Uhr)
Politik erfahren wir primär in Form von Diskursen, das heißt durch mediale Vermittlung. Nicht nur wird Politik in erster Linie durch mediale Diskurse gemacht – sie ist wesentlich Kampf um Autorität und Deutungsmacht im Diskurs (Silverstein/Urban) –, auch was Politik ist – unsere eigene Vorstellung davon, was Politik umfasst, was sie tut und wie sie unser Leben bestimmt –, ist zu einem großen Teil (wenn nicht sogar vollständig) diskursiv bestimmt. Häufig stereotype Vorstellungen von der Politik und den Politikern (denen da oben), die in öffentlichen Foren, Leserbriefen und ähnlichem zu finden sind, legen hiervon Zeugnis ab.

Das Proseminar befasst sich mit diesen vielfältigen diskursiven Aspekten politischen Handelns bzw. politischer Kommunikation. Dabei soll sowohl das politische Handelns selbst (politische Diskurse bzw. Diskurse der Politik) in Form einschlägiger politisch-medialer Debatten als auch die Konstruktion des Politischen im Diskurs (Politik der Diskurse) in Form von Debatten über Politik in den Blick geraten. Nicht zuletzt die Wechselwirkung und Verschränkung dieser beiden Ebenen sollen hierbei genauer betrachtet und sozio- bzw. diskurslinguistisch verortet werden.

Einführende Literatur: Jörg Kilian/Thomas Niehr (Hgg.) (2013): Politik als sprachlich gebundenes Wissen. Politische Sprache im lebenslangen Lernen und politischen Handeln. Bremen: Hempen-Verlag (Sprache – Politik – Gesellschaft 8); Schröter, Melani/Carius, Björn (2009): Vom politischen Gebrauch der Sprache. Wort, Text, Diskurs. Eine Einführung. Frankfurt am Main: Lang (Leipziger Skripten 5). Weitere Literatur wird in der ersten Sitzung vorgestellt.
zurück